Sanfte Schocks gegen Herzflimmern
Eine neue Generation von Defibrillatoren
Mehr als 100.000 Menschen sterben jährlich in Deutschland am plötzlichen Herztod, der durch Arrhythmien wie dem Kammerflimmern ausgelöst wird. Die elektrische Erregung, die die Pumpaktivität des Herzens antreibt, driftet hierbei ins Chaos und breitet sich in spiralförmigen Wellen im Herzmuskel aus. Gegen das Kammerflimmern gehen Herzmediziner mit der Defibrillation vor: Dabei wird ein starker elektrischer Schock ausgelöst, der die elektrische Erregung im gesamten Herz kurzzeitig auslöscht. Der Herzrhythmus kann dann wieder in seinen geregelten Takt zurückkehren. So effektiv die Stromstöße sind – sie werden von den Patienten als äußerst schmerzhaft empfunden. Zudem kann dabei das umliegende Gewebe geschädigt werden. Diese Nebenwirkungen sind auch der Grund, warum sich viele Patienten gegen einen implantierbaren Lebensretter entscheiden.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation (MPIDS) und der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) entwickeln deshalb eine schonendere Methode. Die Niedrig-Energie-Defibrillation LEAP (Low-Energy Antifibrillation Pacing), kommt mit deutlich niedrigeren Energien aus und hat sich bereits in ersten Tiermodellen bewährt. Die Gründungsoffensive Biotechnologie, eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), hat die Forscher mit dem Gründerpreis geehrt und fördert das Projekt.
Terminierung von Kammerflimmern mit LEAP im Ganzherz-Experiment: Das Herz, links im Video, ist mit einem speziellen Farbstoff gefärbt, der die elektrische Aktivität als Helligkeitsunterschiede sichtbar macht. Zunächst ist das Kammerflimmern als chaotische “Wellenbewegung” sichtbar, nach 2,5 Sekunden wird das Herz mit LEAP in seinen natürlichen Zustand zurückversetzt, so dass es in der zweiten Hälfte des Videos wieder seinem natürlichen Rhythmus nachgehen kann.
Prof. Dr. rer. nat. Stefan Luther
Professor Luther ist Leiter der unabhängigen Forschungsgruppe Biomedizinische Physik am Max Planck Institut für Dynamik und Selbstorganisation. Er ist Honorarprofessor an der Fakultät für Physik der Georg-August-Universität Göttingen.
Schwerpunkt der wissenschaftlichen Forschung ist Selbstorganisation in komplexen biologischen und hydrodynamischen Systemen fernab vom thermodynamischen Gleichgewicht. Als Physiker hat Prof. Luther langjährige Erfahrung in der Konzeption und Umsetzung von Experimenten, der Entwicklung von Mess- und Regelungstechnik sowie Datenanalyse und mathematischen Modellierung.
Prof. Dr. rer. nat. Ulrich Parlitz
Professor Parlitz ist Mitarbeiter der Max Planck Forschungsgruppe Biomedizinische Physik am Max Planck Institut für Dynamik und Selbstorganisation und außerplanmäßiger Professor an der Fakultät für Physik der Georg-August-Universität Göttingen.
Professor Parlitz ist ein international ausgewiesener Experte auf den Gebiet komplexer dynamischer Systeme, Datenanalyse und mathematischer Modellierung.